Die 1960er Jahre sind in vielen westeuropäischen Ländern von raschem Wirtschaftswachstum und einem Wandel des gesellschaftlichen Konsumverhaltens geprägt, auch in Norditalien. Doch in den Bergen Kalabriens, an der südlichen Spitze des italienischen Stiefels, wirkt die Zeit wie stillgestanden. Eine Gruppe von Höhlenforschern aus dem Piemont macht sich hierher auf, um in den Bergen des Pollino-Massivs den Abisso del Bifurto zu erkunden. Während die Schäfer der Region weiter ihren vertrauten Alltag leben wie Generationen vor ihnen, steigen die Forscher immer weiter hinab in das unbekannte Erdreich. Dabei stoßen sie auf eine der verborgensten und tiefsten Höhlen der Welt. Die Filme Michelangelo Frammartinos ("Il dono", 2003; "Vier Leben", 2010) sind Meditationen über die Zeit und die Ungleichzeitigkeit. In "Vier Leben" erkundete Frammartino mit viel Humor archaische Produktionsprozesse im modernen Italien und zeitlose Riten und Traditionen, die die heutigen Menschen in die vorchristliche Welt zurückversetzen. In "Il Buco" geht es um die Gleichzeitigkeit der Erkundung einer unerforschten Höhle im Süden Italiens in den 1960er Jahren und die wirtschaftliche Entwicklung im Norden. Der Film baut nicht auf einer klassischen Narration auf, sondern lebt durch die Architektur der Einstellungen: Die piemontesischen Höhlenforscher dringen in der unwegsamen kalabrischen Bergregion in eine Welt ein, die noch ganz nach dem Rhythmus der Natur funktioniert. Während in ihrer nördlichen Heimat die Wolkenkratzer in den Himmel schießen, steigen sie Meter für Meter immer tiefer in die Erdgeschichte herab.